Feministischer Widerstand
Immer wieder lese ich vom „feministischen Widerstand“. Feminismus und Widerstand scheint man schon fast synonym verwenden zu können. Lasst uns einen Blick in die Wikipedia werfen. Ich bin zu fast 100% ein großer Verfechter dieses schier unglaublich großen und relevanten Lexikons des Digitalzeitalters. Doch was hier über das durchaus kontrovers diskutierte Thema geschrieben steht, treibt schon fast den Zehnagel meines großen Onkels zur Rolle rückwärts. Während feministisch als gut, toll, sozial, gerecht etc. erklärt wird, verklärt man den Maskulinismus zu einer Männer-Zentriertheit, zu einer Arroganz und einer (Über-) Betonung der Männlichkeit.
Herrlich und dämlich
Schade, dass wir aus der Vergangenheit so wenig gelernt haben. Die Etymologie so mancher Wörter und Wortpaare sollte uns doch eigentlich eines Besseren belehren. Nehmen wir „herrlich“ und „dämlich“. Bis heute verbinden wir diese Attribute mit gut/toll und schlecht/dümmlich. Im gleichen Betrag, nur mit umgekehrten Vorzeichen, wird heute die Bedeutung von Feminismus und Maskulinismus pervertiert.
Der Feminismus per se
Ein über das Ziel hinaus Schießen engagierter Frauen bei den Bemühungen, die historisch über Jahrhunderte vom Patriarchat gepflegte Entrechtung des weiblichen Teils der Menschheit abzuschaffen. Und ja, die Frauen hatten und haben in ganz vielen Teilen des gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens allen Grund, für mehr Rechte zu kämpfen. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in einigen Ländern der Welt den Frauen das zu den Männern gleiche Wahlrecht zugestanden. Und das nicht etwa, weil die Männer einen guten Tag hatten, sondern weil die Frauen dafür gekämpft haben. Im Westdeutschland der 1960er und 70er Jahre bestimmten Männer darüber, ob ihre Ehefrauen eine Arbeit annehmen durften oder nicht. In der TV-Werbung wurden selbständige Autofahrbemühungen selbstbewusster Frauen verhöhnt. Die Vergewaltigung der Frau durch ihren Ehemann war in Ost und West (als Straftat) quasi nicht existent. In der in meinen Augen äußerst spannenden und geschichtlich relevanten ZDF-Fernsehserie „Zarah – Wilde Jahre“ wurden derartige Missstände im zweiten Drittel des vergangenen Jahrhunderts in Form von zahlreichen Anekdoten punktgenau dargestellt. Aber wie sieht es heute aus mit den Frauenrechten, was ist aus der Rolle der Frau und was aus der Rolle des Mannes geworden?
Aufschrei und MeToo
Die Aufschrei- und MeToo-Debatten haben an vielen Ecken und Enden, ganz besonders bei Vorgesetzten- und Ange-/Unterstellten-Verhältnissen bspw. und mit Schwergewicht in der Filmbranche gezeigt, dass Männer zu oft eine rote Linie überschritten haben und ihre Macht in sexueller Form ausnutzten, was durch Nötigungen bis hin zu Vergewaltigungen zum Ausdruck kam. Auch wenn viele Frauen erst Jahre bis Jahrzehnte nach den eigentlichen Vorfällen sich zu Wort meldeten, so ist doch wichtig und richtig, dass sie es schlussendlich überhaupt taten und tun. Ebenso haben sich offenbar die gesellschaftlichen Verhältnisse geändert, dass man heute eine Frau grundsätzlich nicht mehr für dumm erklärt, die sich auf diese Weise zu jenen Entrechtungen und Entwürdigungen äußert.
Menschlichkeit und Sexualität
Feminismus, Selbstbewusstsein, Attraktivität und Identität. Genau wie Männer sind auch Frauen „mehrdeutige Wesen“. Die Geschlechter sind Menschen, gleichzeitig sexuelle Lebensformen. Während Frauen auf der einen Seite männliche Eigenschaften wie Dominanz, Präsenz, Machtbesessenheit, Jagdinstinkt usw. kritisieren, sind es andererseits genau diese Eigenschaften, die Männer für Frauen attraktiv, sexuell anziehend machen. Was ich aus vielen feministisch geprägten Debatten heraus höre, ist, dass Männer sich grundlegend ändern müssten, Frauen erscheinen dann oft als das Opfer in der Gesellschaft. Aber ist es ein Zufall, dass wir seit 13 Jahren eine Frau als Bundeskanzler, also eine Bundeskanzlerin haben, dass wir aktuell eine Frau als Bundesverteidigungsminister (!), also eine Bundesverteidigungsministerin haben?
Gleichberechtigung leben
Haben Frauen in der heutigen Gesellschaft nicht ganz andere Möglichkeiten, Gleichberechtigung zu leben und zu erleben, sich engagieren und dabei zu sein? Ja, sie mögen hierbei auf Widerstände stoßen. Ich sehe hier vor allem gesellschaftliche Denkansätze als problematisch an. Als bekanntermaßen umtriebiger Eventfotograf, der ich bin, besuche ich zahlreiche Veranstaltungen. Immer wieder sehe ich, dass Männer deutlich in der Überzahl sind, und das bei Events, die gesellschaftlich, politisch oder fachlich (z. B. fotografisch) für Frauen gleichermaßen relevant oder interessant sein könnten. Wofür brauche ich hier einen „feministischen Widerstand“? Vielleicht eher nur ein bisschen Mut, der sich dadurch zeigt, dass man seine beste Freundin schnappt und die vermeintliche „reine Männerveranstaltung“ besucht. Anderenfalls bestätigt man als Frau genau jenes System, das man kritisiert, nämlich dass Männer unter sich sind, netzwerken, die Posten unter sich ausmachen, die Redner fürs nächste Podium bestimmen usw.
Nuancen der Gleichberechtigung
Gleichberechtigung ist etwas Tolles. Sie ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die tatsächlich in weiten Teilen der zivilisatorischen Welt unseres Planeten errungen wurde. Wenn selbst wir mitten in Europa jammern, dann sicher auf hohem Niveau. Trotzdem sollen wir sensibel bleiben, und egal ob Frau oder Mann, auf gravierende Dysbalancen muss hingewiesen werden. Gleichzeitig haben Frauen und Männer eine andere Sexualität. Auch innerhalb des gleichen Geschlechts gibt es individuelle Unterschiede (zum Glück!). Für die eine Frau mag das Hinterherpfeifen bereits eine sexuelle Belästigung oder wenigstens nervig sein, eine andere würde dies wohlwollend als Kompliment genießen. Und ich, der Frauen wie Männern die Türe offen hält, würde mich freuen, wenn mir selbiges öfter widerführe.
Humor als heilsames Pflaster
Um in der Gesellschaft voran zu kommen, bedarf es wohl eines Austausches. Den Erfahrungsaustausch haben wir täglich. Der Mann ist oft, wenn nicht meistens, in der Rolle, den 1. Schritt zu machen, in der Begegnung mit Frauen. Natürlich ist er es dann auch, der den 1. Fehler machen kann. Aber das ist menschlich. Wenn beide Seiten selbstbewusst und respektvoll miteinander umgehen, dann kann ein Raum für Win-Win-Situationen geschaffen werden. Katz- und Mausspiele, wie wir ihnen evolutionär wie heute täglich begegnen, sollten hierbei ebenso möglich und statthaft sein. Sinn und Sinne für das eigene und für das andere Geschlecht entwickeln. Eigene Positionen immer mal wieder hinterfragen und im Dialog bleiben. Zu guter letzt. Humor und (Selbst-) Ironie nicht vergessen. Dem Ernst des Lebens begegnen wir schon häufig genug, da kann Lächeln über uns und unser einzigartiges Leben mitunter wie ein heilsames Pflaster wirken.